Merkmale
“Is nist weißen Tüsse isn.”
(= Ich weiß nicht, wo die Küche ist. Lars, 8 Jahre alt)
Neben einem Stammeln fällt auf, dass Lars die Deklination und Konjugation und die Bildung des Nebensatzes nicht beherrscht; die Wortfolge im Satz stimmt nicht. Es sieht so aus, als könne Lars einfachste grammatikalische Regeln nicht anwenden. In dieser Hinsicht sprechen wir von Dysgrammatismus (bzw. einem Agrammatismus).
In der Umgangssprache kann Lars keinen normgerechten Satz bilden: Diese Dyssyntaxie hebt sich noch einmal vom Dysgrammatismus ab und weist auf eine sehr ernste Störung hin.
Lars kann aber mit Hilfe einer Symbolschrift nach kurzer Übung einfache Sätze grammatikalisch richtig “lesen”. Bei diesen Sätzen stimmt auch die Wortfolge im Satz.
Lars stellt in der Spontansprache keine Beziehungen der Wörter untereinander in einem Satz her; diese Beziehungen werden vorwiegend durch Endungen und die Wortfolge im Satz festgelegt.
Wie kommt es dann, dass Lars einerseits mit Hilfe einer Symbolschrift richtig und andererseits in der Spontansprache agrammatisch spricht?
Ursachen
Die Ursachen des Dysgrammatismus sind nicht generell bekannt, sondern müssen im Detail erforscht werden. Manche Kinder sind unsicher in der Zuordnung des bestimmten Artikels (= der, die, das); sie machen nur hier Fehler. Andere Kinder verwenden nur die Infinitivform bei der Bildung des Prädikats, z.B. “Peter essen Suppe”.
Es können demnach die unterschiedlichsten grammatikalischen Fehler auftreten.
Als eine häufige Ursache bei dysgrammatischen Störungen stellte sich in der Praxis heraus, dass die auffälligen Kinder ein auditives Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom aufweisen: d.h. nicht die Grammatik ist gestört, sondern das Aufmerken beim genauen Hinhören auf bestimmte Beziehungen im Wortkontext des Satzes.
Lösung
Diesen Kindern kann durch ein gezieltes auditives Aufmerksamkeitstraining relativ rasch geholfen werden.
Bei einer Störung – wie sie bei Lars vorliegt – fällt auf, dass diese Kinder neben einem auditiven Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom auch erhebliche Beziehungsstörungen im Hinblick auf Objekte und das soziale Miteinander an den Tag legen.
Bei Lars liegt eine sehr gestörte Mutter-Kind-Beziehung vor, die der Junge generalisierte. Er verhält sich extrem kleinkindhaft; der Dysgrammatismus ist eine psychogene Reaktion auf eine existentielle Bedrohung, die stark angstbesetzt ist.
Auffälligstes Merkmal ist die Angst des Kindes, Bindungen zu Mitschülern oder zu Lehrpersonen einzugehen. Das Kind fürchtet sich offenbar vor neuen Enttäuschungen und Verletzungen.
Diese Art von Dysgrammatismus kann nur behoben werden, wenn es in der Sprachförderung gelingt, die existentielle Bedrohung und die damit verbundenen Ängste abzubauen und die Bindungsfähigkeit der Kinder wieder herzustellen.